Kultur- und Bildungszentrum

Das Nürnberger Haus beruht auf der Städtepartnerschaft zwischen dem deutschen Nürnberg und dem ukrainischen Charkiw.
Es ist ein deutsch-ukrainisches Kultur- und Bildungszentrum in Charkiw mit einem vom Goethe-Institut akkreditierten Sprachlernzentrum.
Gleichzeitig ist es Begegnungsstätte für alle an Deutschland interessierten Charkiwer Bürgerinnen und Bürger.
Die Einrichtung besteht seit 1995.

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Über uns

Serhij Zhadan

1.

Unsere Vorstellung von Städten und Ländern, der Blickwinkel und die Einstellungen, mit denen wir die Toponymik und die Geographie betrachten, beruhen größtenteils auf Stereotypen und Klischees. Touristenrouten dringen nicht ein in das Wesen der Dinge und Erscheinungen. Im allgemeinen interessieren sich Touristen nur wenig für die tatsächlichen Lebensbedingungen der einheimischen Bevölkerung. Ihr Interesse in fremden Ländern gilt weniger den Bewohnern, als den Denkmälern von historischen Größen und politischen Führern.

Touristen schenken den lebendigen, dahineilenden Einheimischen nur wenig Aufmerksamkeit, dafür um so mehr den Gedenktafeln und Bronzebüsten.
Sie machen Fotos von sich vor historischen Gebäuden und ärgern sich, wenn zufällig ein Einheimischer ins Bild läuft. Alles verständlich -- wie soll man auch in zwei, drei Tagen eines rastlosen, wirren Aufenthaltes viel über den Charakter einer Stadt erfahren? Wie kann man den Herzschlag einer Großstadt erfühlen, wenn man aus dem historischen Stadtzentrum nicht herauskommt? Die Touristenroute ist für so einen Kurzaufenthalt der Kompromiss, der es erlaubt, sich über historische Ereignisse, Stadtplanung, Sitten und Gebräuche der Einheimischen zu informieren. Dabei beginnt man selber zu glauben, man hätte erfasst, worin sich die Bewohner dieser Stadt von denen anderer Städte unterscheiden, um dann diese eigenen Entdeckungen bei der ersten besten Gelegenheit mitzuteilen.

Ich bin mir sicher, wenn Sie zum ersten Mal nach Charkiw kommen, dann zeigt man Ihnen die traditionellen Sehenswürdigkeiten der Stadt: den größten Platz Europas, das weltweit schönste Gebäude im Stil des Konstruktivismus, die Parks, Häuser und Märkte, welche in Charkiw wenn nicht zu Kulturdenkmälern so doch wenigstens zu Geschichtsdenkmälern zählen. Dasselbe gilt in etwa auch für Nürnberg: die Altstadt, die restaurierten Kirchen, die Burg, die Brücken über die Pegnitz - das alles gehört zum üblichen Touristenprogramm, das dem Besucher als erstes gezeigt wird und an das man sich später zuerst erinnern wird. Das Bild der Stadt mag im Ergebnis ziemlich bunt sein, aber merkwürdigerweise prägt sich im Gedächtnis vor allem ein, dass in Charkiw Turbinen hergestellt werden und in Nürnberg Lebkuchen; dass in Charkiw das Neujahrsfest gefeiert wird, in Nürnberg dagegen Weihnachten; dass in Nürnberg der erste Globus hergestellt wurde, in Charkiw dagegen der Panzer T 34. Und so könnte man die Liste endlos fortsetzen, weil sie unendlich ist und aus vielen größeren und kleineren Ereignissen, Details und Besonderheiten besteht, die unsere Vorstellung und Erinnerung mit einer bestimmten Stadt verbinden.

Anders gesagt: ich respektiere den Tourismus und den natürlichen Wunsch der Menschen, ihre geographischen und anthropologischen Kenntnisse, wenn auch nur in allgemeiner Form, zu erweitern, aber ich werde immer skeptisch bleiben, was die Möglichkeit betrifft, die Welt über touristische Reiseführer erkennen zu können. Das Prinzip an sich, neue Städte mit Fremdenführer in beschleunigtem Tempo und unter anstrengendem Zeitdruck zu erkunden, scheint mir naiv und unnatürlich. Wenn Architektur durch ein Foto wiedergegeben oder durch das Auge zum ersten Mal erfasst wird, so hilft das nur -- davon bin ich zutiefst überzeugt-- den Maßstab wahrzunehmen, reicht aber nicht aus, um das innere Wesen zu durchdringen. Die Geschichte, die sich in Denkmälern und Reliefs widerspiegelt, ermöglicht die Vergangenheit zu betrachten aber noch lange nicht die Gegenwart zu erspüren. Mit anderen Worten: um eine Stadt zu verstehen, muss man wenigstens eine Zeit lang dort gelebt haben. Man sollte frühmorgens mit der Straßenbahn zusammen mit den Arbeitern zu ihrer Baustelle und mit den Beamten in ihre Büros fahren. Man sollte in der Mensa oder in den Gaststätten essen, wo sich die Studenten ganz allgemein und nicht nur über Wissenschaft unterhalten. Man sollte Zeit verbringen mit Emigranten, Kontrolleuren, Bettlern, Kellnern und Dichtern, die durch die Straßen streifen , in den Bars hocken, auf Bahnhöfen übernachten und ihre Verse ihr, der Stadt, widmen. Um eine Stadt wirklich kennen zu lernen, sollte man sich in ihren Schlafvierteln aufhalten, in den Plattenhaussiedlungen, die einander so ähnlich sind und in denen doch so unglaublich verschiedene Menschen leben. Echter Tourismus sollte ganz offensichtlich einen längeren Aufenthalt und viele Bekanntschaften einschließen. Ideal wäre es, wenn Touristen die Möglichkeit hätten, in einer Stadt, die ihnen besonders gefällt, länger zu bleiben und jeden Morgen neue Buslinien und neue Geschichten für sich zu entdecken, aus denen sich die ganze Geographie tatsächlich zusammensetzt.

2.

Nürnberg war in meinem Leben die erste "ausländische" Stadt. Auch heute noch halte ich es für ein großes Glück, dass die Götter des Tourismus und der Zollabfertigung die Reise so bestimmt haben, dass sie mich ausgerechnet in diese Stadt versetzten. Ich werde nicht mit Pathos behaupten, dass damals, seitdem, seit dem lang vergangenen Jahr 1994, die Hauptstadt Frankens zu meiner Lieblingsstadt wurde. Ich möchte aber auch nicht meine Nostalgie verbergen und bekenne mich gerne zu dem Gefühl einer großen Sympathie für diese Stadt und ihre Bewohner (wiederum möchte ich nicht übertreiben und sage nicht, dass mir alle Bewohner sympathisch sind, schon allein aus dem einfachen Grund, dass ich nicht mit allen bekannt bin). Möglicherweise hatte ich Glück mit den Fremdenführern, möglicherweise hat es auch nichts mit dem Tourismus zu tun, aber wie auch immer - ich habe viele Erinnerungen an diese Stadt. Diese Erinnerungen sind deshalb so intensiv, weil sie vor dem Hintergrund der turbulenten Neunziger Jahre in der Ukraine entstanden, einer Cowboy-Zeit , gestrickt aus Kriminalität und Gesetzlosigkeit, aber auch aus unerschöpflicher slawischer Gastfreundschaft, die sich sehr stark von der deutschen Beständigkeit und dem deutschen Feingefühl unterscheidet. Wieder war es ein großes Glück, vor allem mit Nürnberger Dichtern zusammenzutreffen. Dichter können eine Stadt zeigen, ohne viel über die Dinge zu reden und einen doch zum Wichtigsten bringen. So habe ich Nürnberg über meine Dichterfreunde kennen gelernt. Ich erinnere mich an die verschlungenen Wege, auf denen mich und meinen Kollegen Andrij Kokotjucha der Dichter Walter Zahorka geführt hat. Diese schnellen, kurzen Sprünge von einem Caf? zum anderen, von einer Bar zur nächsten, mit Aufenthalten in Buchläden, Galerien und auf Brücken. Auf den Brücken blieb Walter immer stehen und las seine Verse. Eigentlich blieb er immer stehen und rezitierte seine Gedichte, die er jeweils den mehr oder weniger bemerkenswerten Gebäuden, Kirchen und historischen Persönlichkeiten Nürnbergs widmete. Auch beschränkte er sich nicht nur auf die Geschichte. Man hatte manchmal den Eindruck, als kenne er die Hälfte der Stadtbewohner persönlich. Es handelte sich vermutlich um die bessere Hälfte. Auf unseren endlosen Streifzügen durch die Altstadt hielt er ständig an, um Bekannte zu begrüßen; Journalisten, Verkäufer, Zeitungsausträger, Mädchen, Frauen und ältere Damen. Mir kommt es so vor, als hätte er über jede und jeden von ihnen ein bereits früher verfasstes Gedicht vortragen können, obwohl das wahrscheinlich meinerseits Wunschdenken ist.

Ich erinnere mich, wie er mich einmal in eine ganz besondere Gesellschaft geschleppt hat. Ich glaube, es waren irgendwelche Sozialdemokraten, sehr nett und sozial überaus engagiert. Sie baten mich, mit ihnen zusammen revolutionäre Lieder zu singen. Was haben wir damals gesungen? War es die "Internationale"? Einen sonderbaren Eindruck müssen wir damals gemacht haben. Wie übrigens auch alle Sozialdemokraten.

Anfang 2001, also vor gut 9 Jahren, war es mir beschieden, in Nürnberg eine längere Zeit zu verbringen. Und diese Zeit, dieser gesamte Monat, war warm und sonnig und auf Maien Art unendlich und voller Dichter, die alle ihre eigene Sprache sprachen und ihre eigenen Geschichten erzählten. Ich erinnere mich an den Autor von Kriminalromanen aus Antalya, der Kettenraucher war und damit die deutsche Bevölkerung schockte und diese Schockreaktion nicht verstand. Ich erinnere mich an den Dichter aus Krakau, der unter anderem auch als DJ arbeitete und dieses mit dem Dichten auf wundervolle Weise verbinden konnte: jeder seiner Auftritte bestand aus einer wunderbaren Kollektion von Geräuschen und Lautimitationen. Des weiteren erinnere ich mich daran, wie wir Schriftsteller, ein vielsprachiger Haufen, ins Stadion geführt wurden. An diesem Abend gewann der "Club" und kehrte in die Bundesliga zurück. Wohl hatte es den Anschein, als ob die Schriftsteller diesen historischen Sieg nicht sonderlich bejubelten, denn Schriftsteller interessieren sich im allgemeinen nur wenig für Fußball. Der Gerechtigkeit halber ist jedoch anzumerken, dass sich auch Fußballer in der Regel nicht für Literatur interessieren. Aber das ist eine andere Geschichte.

3.

All diese Reisen und Wanderungen, die neuen Bekanntschaften, mit denen man so leicht verkehrt, als seien sie die besten Freunde, all diese "kulturellen Kontakte" - ein merkwürdiger Ausdruck, amtlich und offiziell, wobei doch dahinter so viel Inoffizielles und Privates steht - wahrscheinlich auch unsere freie Zeit werden uns geschenkt, damit wir reisen, neue Städte und Länder kennenlernen, uns für fremde Lebensweisen interessieren und über die eigenen erzählen. Bei all dem ist es schwierig, darin irgendeinen praktischen Nutzen zu finden. Denn keine Partnerschaft und keine kulturellen Kontakte können unsere eigenen Probleme für uns lösen, aber gerade deshalb ist die Erfahrung, Neues kennenzulernen, Neues zu entdecken, neue Bekanntschaften zu schließen, wohl die nützlichste und aussichtsreichste Beschäftigung. Besonders dann, wenn man die Grenzen betrachtet, durch die auch künftig der eine Teil Europas vom anderen getrennt sein wird. Der Tourismus, wenn er auch das Leben nicht lehren kann, erlaubt es dennoch zu spüren, was das Leben ist und in größerem Maße, sei es auch nur mit Hilfe eines Fremdenführers, die ganze Unerschöpflichkeit dieser Welt zu erfühlen. Ich würde es für die Bürger der Ukraine zur allgemeinen Pflicht machen, ins Ausland zu gehen. Mag es nicht auf lange Zeit, sondern nur ganz kurz sein. Einfach nur so, zum Kennenlernen. Ohne irgendein finanzielles, geschäftliches Ziel, ohne irgendwelche kulturellen Beziehungen. Einfach um sich aus der Nähe Türme und Kirchen anzuschauen, auf Brücken zu stehen und, sagen wir, die Statue des "Blauen Reiters" (vor der Mensa) zu betrachten. Sollen sie ruhig auch die "Internationale" mit den lokalen Sozialdemokraten singen. Um dann, nach Hause zurückgekehrt, zu versuchen so zu handeln, damit die Stadt, in der sie leben, die Stadt ihres Herzens auch ihren neuen Freunden gefallen kann. Damit die neuen Freunde auch ein gleiches Gefühl der Sympathie spüren für die Charkiwer Plätze, Straßen und Parks, wie sie es gefühlt haben für die Nürnberger Türmchen, Museen und Gässchen. Wahrscheinlich liegt darin wahre kulturelle Partnerschaft begründet.

Unsere Partner

Partnerschaftsverein Charkiw-Nürnberg e.V.
Partnerschaftsverein Charkiw-Nürnberg e.V. charkiw-nuernberg.de
Hans-Sachs-Platz 2, Zimmer 208
D-90403 Nürnberg
Amt für internationale Beziehungen der Stadt Nürnberg
Amt für internationale Beziehungen der Stadt Nürnberg www.partnerstaedte.nuernberg.de
Hans-Sachs-Platz 2
90403 Nürnberg
Department für internationale Zusammenarbeit der Stadt Charkiw
Department für internationale Zusammenarbeit der Stadt Charkiw www.city.kharkov.ua
Pl.Konstituzii, 7
Сharkiv
Goethe-Institut
Goethe-Institut www.goethe.de/ukraine
Wul. Lawrska 16, Litera L,
01015 Kiew
Kulturabteilung der deutschen Botschaft in der Ukraine
Kulturabteilung der deutschen Botschaft in der Ukraine www.kiew.diplo.de
wul.Bohdana Chmelnyzkoho, 25
01901 Kiew
Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Charkiw
Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Charkiw kiew.diplo.de/ua-de/botschaft/honorarkonsuln
wul. Skrypnyka,14a
61057 Charkiw
Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Donezk, Dienstsitz Dnipro
Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Donezk, Dienstsitz Dnipro www.donezk.diplo.de
Prospekt Dmytra Yavornytskogo 1a, Büro 301
49005 Dnipro
FB: DeutschesGeneralkonsulatDonezk
Deutscher Lesesaal Charkiv
Deutscher Lesesaal Charkiv korolenko.kharkov.com
Staatliche Wissenschaftliche Korolenko-Bibliothek
Korolenko Gasse 18, 61003 Charkiv
Sozialer Hilfsdienst
Sozialer Hilfsdienst ssa.kharkov.ua
wul. Poltawskyj schljach,1/3, Of.27
61052 Charkiw
Sigmund-Schuckert-Gymnasium
Sigmund-Schuckert-Gymnasium sigmund-schuckert-gymnasium.de
Pommernstr. 10
90451 Nürnberg
Gymnasium 23 mit erweitertem Deutschunterricht
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wul. Tjurynska, 40
61161 Charkiw